Kieferklemme
Die Kieferklemme, medizinisch auch Trismus genannt, beschreibt eine schmerzhafte Einschränkung der Mundöffnung, bei der sich der Unterkiefer nur noch begrenzt oder gar nicht mehr aktiv absenken lässt. Sie tritt plötzlich oder schleichend auf und kann sowohl akute als auch chronische Ursachen haben. In der zahnmedizinischen, kieferorthopädischen und chirurgischen Praxis stellt die Kieferklemme eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar – nicht zuletzt, weil sie die normale Nahrungsaufnahme, die Mundhygiene und zahnärztliche Behandlungen erheblich erschwert.
Was ist eine Kieferklemme?
Von einer Kieferklemme (Trismus) spricht man, wenn die Mundöffnung auf unter 35 mm reduziert ist. In schweren Fällen ist die vertikale Schneidezahndistanz sogar auf unter 10 mm begrenzt. Die Ursache liegt meist in einer Verkrampfung oder Verhärtung der Kaumuskulatur, einer mechanischen Blockade, einer Entzündung oder in neurologischen Störungen.
Die Kieferklemme ist abzugrenzen von der Kiefersperre, bei der der Mund nicht mehr geschlossen werden kann – z. B. durch Luxation des Kiefergelenks.
Symptome
- Eingeschränkte Mundöffnung
- Schmerzen beim Öffnen des Mundes
- Druckgefühl im Kiefergelenk oder der Muskulatur
- Schwierigkeiten beim Kauen, Sprechen oder Gähnen
- Kiefergeräusche oder Gelenkknacken
- Muskelverspannungen im Wangen- oder Schläfenbereich
- In einigen Fällen: Schluckbeschwerden oder Fieber (bei Infektionen)
Ursachen der Kieferklemme
Die Ursachen lassen sich grob in vier Gruppen einteilen:
1. Muskuläre Ursachen
- Myogene Verspannung durch Stress, Zähneknirschen (Bruxismus) oder Überlastung
- Muskelentzündungen (Myositis) nach Operationen oder Infekten
- Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
2. Infektiöse Ursachen
- Perikoronitis (Entzündung um einen durchbrechenden Weisheitszahn)
- Abszesse im Bereich der Mundboden-, Wangen- oder Kaumuskulatur
- Phlegmone oder tiefsitzende Weichteilinfektionen
- Kieferosteomyelitis
3. Mechanisch-anatomische Ursachen
- Kiefergelenkserkrankungen (Arthritis, Diskusverlagerung ohne Reposition)
- Kieferfrakturen oder -luxationen
- Narbenbildungen oder Verwachsungen nach Operationen
- Zysten, Tumore oder Raumforderungen im Bereich des Kieferapparats
4. Neurologische Ursachen
- Tetanus (Wundstarrkrampf) mit typischer Kieferklemme als Erstzeichen
- Zentrale oder periphere Nervenschädigungen
- Hirnstammprozesse oder Multiple Sklerose
In der zahnärztlichen Praxis tritt die Kieferklemme besonders häufig nach unteren Weisheitszahnextraktionen, bei Wurzelspitzenresektionen, Parodontalbehandlungen oder nach länger dauernden Eingriffen mit weit geöffnetem Mund auf.
Diagnostik
Die genaue Abklärung der Ursache ist essenziell, um eine zielgerichtete Behandlung einzuleiten. Die Diagnostik umfasst:
- Anamnese (Beginn, Dauer, begleitende Symptome, vorausgegangene Eingriffe)
- Mundöffnungsmessung (Schneidekantenabstand)
- Palpation der Muskulatur (besonders M. masseter, M. temporalis, M. pterygoideus)
- Kiefergelenksauskultation und Bewegungsanalyse
- Röntgendiagnostik (OPG, ggf. DVT oder MRT bei Verdacht auf Diskusverlagerung)
- Laborwerte bei Verdacht auf Infektion (CRP, Leukozyten)
Behandlung der Kieferklemme
Die Therapie richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Einschränkung. Grundsätzlich gilt: Je früher die Behandlung einsetzt, desto besser sind die Heilungschancen.
1. Konservative Maßnahmen
- Wärmeanwendungen (Rotlicht, feuchtwarme Umschläge)
- Physiotherapie (Dehnübungen, Triggerpunktbehandlung, Massage)
- Manuelle Mobilisation des Unterkiefers durch spezialisierte Behandler:innen
- Medikamentöse Schmerztherapie (NSAR, Muskelrelaxanzien)
- Schienentherapie bei CMD
2. Behandlung infektiöser Ursachen
- Antibiotikagabe bei bakteriellen Infekten
- Chirurgische Eröffnung bei Abszessen (z. B. intra- oder extraoral)
- Ggf. stationäre Aufnahme bei schweren Infektionen (z. B. Phlegmone)
3. Kiefergelenkbezogene Therapie
- Behandlung von Diskusverlagerungen (manuelle Reposition, Entlastung)
- Injektionen (z. B. Hyaluronsäure, Kortikosteroide) bei Kiefergelenksentzündung
- In schweren Fällen: arthroskopische oder offene Gelenkchirurgie
4. Operative Maßnahmen
- Bei anatomischen Ursachen (Tumor, Zyste, Verknöcherung): chirurgische Entfernung
- Narbenlösung bei postoperativen Verwachsungen
Verlauf und Prognose
Die Prognose hängt stark von der Ursache und der Therapiebereitschaft der Patient:innen ab. Bei funktionellen oder muskulären Ursachen lässt sich eine Kieferklemme meist gut behandeln – vorausgesetzt, die Therapie erfolgt frühzeitig und konsequent. Bei infektiösen oder strukturellen Ursachen ist ein interdisziplinäres Vorgehen (z. B. mit HNO, Kieferchirurgie, Neurologie) entscheidend.
Prävention
- Schonende Behandlungstechniken bei zahnärztlichen Eingriffen
- Kurze Sitzungsdauer bei offener Mundhaltung
- Physiotherapie oder Kieferübungen nach operativen Eingriffen
- Schienentherapie bei Bruxismus
- Stressbewältigung und Muskelentspannungstechniken
Auf einen Blick – Kieferklemme
| Ursache | Beispiel |
| Muskulär | Bruxismus, CMD, Verspannung |
| Infektiös | Perikoronitis, Abszess, Phlegmone |
| Mechanisch | Diskusverlagerung, Fraktur, Vernarbung |
| Neurologisch | Tetanus, Nervenschädigung |
Fazit
Die Kieferklemme (Trismus) ist keine Erkrankung, sondern ein Symptom mit vielfältigen Ursachen – von harmlosen Verspannungen bis zu schweren Infektionen oder neurologischen Störungen. Eine präzise Diagnostik und eine frühzeitige, gezielte Therapie sind entscheidend, um eine Chronifizierung zu vermeiden und die normale Kieferfunktion wiederherzustellen. In der zahnärztlichen Praxis ist Aufmerksamkeit gefragt – denn hinter der eingeschränkten Mundöffnung kann mehr stecken als bloße Muskelverhärtung.
