Hemisektion (zahnmedizinisch)
Die Hemisektion ist ein spezialisiertes Verfahren in der zahnmedizinischen Chirurgie, das in bestimmten Fällen zur Erhaltung mehrwurzeliger Zähne eingesetzt wird. Dabei wird eine Zahnwurzel samt zugehörigem Zahnteil chirurgisch entfernt, während die restliche Zahnstruktur funktionstüchtig erhalten bleibt. Die Methode zählt zu den zahnerhaltenden Alternativen zur Extraktion und stellt einen wichtigen Bestandteil der parodontalen, endodontischen und prothetischen Behandlungsstrategie dar.
Was ist eine Hemisektion?
Die Hemisektion (auch Wurzelamputation oder Wurzelresektion bei zwei- oder mehrwurzeligen Zähnen) bezeichnet die operative Entfernung einer einzelnen Wurzel eines mehrwurzeligen Zahns, inklusive des darüberliegenden Zahnanteils (Krone). Ziel ist es, den erhaltenswerten Teil des Zahns weiterhin in die Zahnreihe zu integrieren – entweder als Kaufläche oder zur prothetischen Versorgung (z. B. als Brückenpfeiler).
Diese Technik kommt überwiegend bei unteren Molaren (zwei Wurzeln) oder oberen Molaren (drei Wurzeln) zur Anwendung. Typischerweise wird sie bei Zähnen durchgeführt, bei denen nur eine Wurzel betroffen ist – etwa durch Parodontitis, Karies, Fraktur oder Wurzelkanalfehlbehandlung.
Indikationen für eine Hemisektion
Die Hemisektion bietet sich als Therapieoption an, wenn eine vollständige Zahnextraktion vermieden werden soll. Zu den häufigsten Indikationen zählen:
1. Fortgeschrittene Parodontalerkrankung
- Lokalisierter Knochenabbau an einer Wurzel eines mehrwurzeligen Zahns (z. B. Furkationsdefekte Grad II/III)
- Einseitige Lockerung der Wurzel durch entzündlichen Attachmentverlust
2. Endodontische Probleme
- Nicht therapierbare Wurzelkanäle (z. B. bei Instrumentenbruch)
- Chronische apikale Parodontitis an einer Wurzel trotz Revision
- Resorptionen oder Perforationen an der Wurzel
3. Fraktur oder Trauma
- Vertikale Wurzelfraktur einer Wurzel bei ansonsten intaktem Zahn
- Kronenfraktur mit subgingivaler Ausdehnung über eine Wurzel
4. Prothetische Gründe
- Erhalt eines strategisch wichtigen Pfeilerzahns durch Entfernung nur des zerstörten Wurzelanteils
- Voraussetzung: Der verbleibende Zahnteil ist belastbar und restaurierbar
Kontraindikationen
Nicht immer ist eine Hemisektion sinnvoll oder möglich. Gegenanzeigen umfassen:
- Unzureichende Mundhygiene
- Mehrere betroffene Wurzeln
- Unmöglichkeit einer stabilen prothetischen Versorgung
- Starker Knochenschwund auch am erhaltenswerten Wurzelanteil
- Systemische Erkrankungen, die eine Operation erschweren (z. B. unkontrollierter Diabetes)
Eine sorgfältige Diagnostik und Fallauswahl sind entscheidend.
Diagnostik und Behandlungsplanung
Vor dem Eingriff ist eine umfassende klinische und radiologische Untersuchung erforderlich:
- Röntgenaufnahmen (Zahnfilm, OPG)
- Sondierungstiefen zur Beurteilung des Attachmentverlusts
- Perkussionstest, Mobilitätsprüfung
- Vitalitätsprobe bzw. Beurteilung endodontischer Vorbehandlungen
In komplexeren Fällen kann auch eine digitale Volumentomographie (DVT) zur 3D-Darstellung sinnvoll sein.
Ablauf der Hemisektion
Die chirurgische Durchführung erfolgt in mehreren Schritten, meist unter lokaler Anästhesie:
- Lappenbildung
Freilegung der betroffenen Zahnwurzel durch Ablösen der Gingiva - Trennung des Zahns
Durchtrennung der Krone mit rotierender Diamanttrennscheibe bis zur Wurzelbifurkation - Wurzelentfernung
Schonende Extraktion des betroffenen Wurzelanteils - Glättung und Säuberung
Entfernung von Geweberesten und Granulationen, Glättung der Wurzeloberfläche - Nahtverschluss
Wiederanlegen des Lappens und spannungsfreier Wundverschluss
Gegebenenfalls folgt zu einem späteren Zeitpunkt die prothetische Versorgung des verbleibenden Zahnteils.
Restaurative Versorgung nach Hemisektion
Nach der operativen Phase ist eine prothetische oder konservierende Versorgung der verbleibenden Zahnstruktur notwendig. Möglichkeiten sind:
- Krone (Teil- oder Vollkrone)
- Brückenversorgung mit dem halbierten Zahn als Pfeiler
- Inlays oder Onlays, wenn ausreichend Restsubstanz vorhanden ist
Wichtig ist, dass die verbliebene Wurzel parodontal stabil, endodontisch versorgt und funktionell belastbar ist.
Vorteile der Hemisektion
- Zahnerhalt trotz Teilverlust
- Vermeidung von Implantation oder Lückenschluss
- Kosteneffektiver als vollständige Extraktion mit anschließender Implantatversorgung
- Erhalt der Okklusion (Bisshöhe und Zahnreihe bleiben stabil)
- Möglichkeit zur Brückenverankerung
Risiken und Komplikationen
Wie bei jedem chirurgischen Eingriff gibt es auch bei der Hemisektion mögliche Risiken:
- Postoperative Schmerzen oder Schwellung
- Wundheilungsstörungen
- Rezidivierende Entzündung
- Zahnfraktur des verbleibenden Zahnteils
- Prothetisches Versagen bei unzureichender Stabilisierung
- Verkürzte Lebensdauer im Vergleich zu intakten Zähnen
Langfristige Kontrolle und regelmäßige Nachsorgetermine sind daher essenziell.
Langzeiterfolg und Prognose
Studien zeigen, dass Hemisektionen bei richtiger Indikation und sorgfältiger Durchführung eine hohe Erfolgsrate haben – mit Überlebensraten von bis zu 90 % über 5 Jahre. Voraussetzungen für den Langzeiterfolg sind:
- Gute Mundhygiene
- Stabile parodontale Verhältnisse
- Hochwertige endodontische und prothetische Versorgung
- Engmaschiger Recall
Auf einen Blick – Wann ist die Hemisektion sinnvoll?
Geeignet bei:
- Einzelwurzelbeteiligung bei mehrwurzeligen Zähnen
- Vertikaler Fraktur oder unheilbarer Entzündung einer Wurzel
- Strategischer Notwendigkeit zur Zahnerhaltung
Vorteile:
- Zahnerhalt statt Totalverlust
- Erhalt der Funktion
- Kostengünstiger als Implantate
- Kürzere Heilungszeit
Voraussetzungen:
- Parodontal stabile Restwurzel
- Belastbare Zahnstruktur
- Gute Mundhygiene
- Sorgfältige Nachsorge
Fazit
Die Hemisektion ist ein präzises, aber effektives Verfahren zur erhaltenden Therapie bei teilgeschädigten Molaren. Sie ermöglicht es, funktionell wichtige Zähne trotz Teilverlust zu bewahren – unter der Voraussetzung, dass Indikation, Technik und Nachsorge stimmen. In einer Zeit, in der Zahnerhalt zunehmend in den Fokus rückt, stellt sie eine wertvolle Option im Behandlungsspektrum dar.
