GTR (Gewebe-regenerierende Techniken)
Die Gewebe-regenerierenden Techniken (GTR) sind ein bedeutender Bestandteil der modernen Parodontaltherapie. Ziel dieser Methode ist es, verlorengegangenes parodontales Gewebe – insbesondere Knochen, Wurzelzement und parodontales Ligament – gezielt wiederherzustellen. GTR kommt vor allem bei parodontalen Knochendefekten oder Zahnfleischrückgang zum Einsatz und gilt heute als eine wissenschaftlich fundierte und prognostisch wertvolle Technik zur Verbesserung der Zahnerhaltung.
Was ist GTR?
GTR steht für Guided Tissue Regeneration, also die „gesteuerte Gewebe-Regeneration“. Dabei wird durch den gezielten Einsatz von Membranen, biologischen Materialien oder regenerativen Substanzen ein Raum geschaffen, in dem sich die gewünschten Gewebearten kontrolliert und ohne störende Einflüsse anderer Zelltypen (z. B. Epithelzellen) regenerieren können.
Die Technik basiert auf dem Prinzip, dass unterschiedliche Zelltypen unterschiedlich schnell wachsen. Epithelzellen besiedeln eine Wunde sehr rasch – allerdings ohne funktionelles Bindegewebe oder Knochen zu bilden. Durch das Einlegen einer Barriere wird das Einwachsen dieser Zellen verhindert und die langsamer wachsenden Gewebearten erhalten Zeit zur Regeneration.
Indikationen für GTR
Die Gewebe-regenerierenden Techniken sind nicht bei jeder parodontalen Schädigung angezeigt, zeigen jedoch hervorragende Ergebnisse bei:
- Infrabony defects (Knocheneinbrüchen mit vertikalem Verlauf)
- Furkationsdefekten (insbesondere Grad II an Molaren)
- Rezessionen (Zahnfleischrückgang, i. d. R. in Kombination mit anderen Verfahren)
- Nach Zahntrauma oder chirurgischen Eingriffen mit Verlust parodontaler Strukturen
- Periimplantären Defekten (in abgewandelter Form)
Materialien und Membrantypen
Für die Barrierefunktion stehen verschiedene Membrantypen zur Verfügung, die sich in Material, Abbauverhalten und Struktur unterscheiden:
Nicht-resorbierbare Membranen
- z. B. PTFE (Polytetrafluorethylen)
- Vorteil: Formstabil, klare Abgrenzung
- Nachteil: Erfordert eine zweite OP zur Entfernung
Resorbierbare Membranen
- z. B. Kollagen oder Polylactid
- Vorteil: Kein zweiter Eingriff notwendig
- Nachteil: Geringere Langzeitstabilität
Zusätzlich können regenerative Materialien eingebracht werden, etwa:
- Schmelzmatrixproteine (z. B. Emdogain)
- Knochenersatzmaterialien (allogen, xenogen oder synthetisch)
- Wachstumsfaktoren (z. B. PDGF, BMPs)
Diese unterstützen die neue Bildung von Knochen, Fasern und Zement, indem sie die Zellproliferation und Differenzierung stimulieren.
Ablauf der GTR-Behandlung
Die Durchführung einer GTR-Therapie erfordert ein sauberes, infektionsfreies Operationsgebiet und hohe chirurgische Präzision. Der Ablauf in Kurzform:
- Anamnese und Planung
- Röntgendiagnostik (z. B. mit paralleler Technik)
- Taschensondierung und Defektanalyse
- Lappenoperation
- Öffnung des Gewebes mit minimalinvasivem Zugang
- Schonende Entfernung von Granulationsgewebe
- Defektpräparation
- Reinigung der Wurzeloberfläche
- Glättung und Dekontamination bei Bedarf
- Einbringen der Membran
- Ggf. kombiniert mit Knochenersatzmaterial oder Schmelzmatrixproteinen
- Fixierung, je nach Material und Defektform
- Weichteilverschluss
- Speicheldichter, spannungsfreier Verschluss des Lappens
- Ziel: Schutz des Regenerationsraums
- Heilungsphase
- Antibiotikagabe je nach Ausmaß
- Strenge Hygienekontrolle, Nachsorge und Schonung
Voraussetzungen für den Behandlungserfolg
- Raucherentwöhnung vor Therapiebeginn
- Sehr gute Mundhygiene
- Compliance der Patient:innen bezüglich Nachsorge und Kontrolle
- Stabiler parodontaler Zustand im Umfeld
- Defekttiefe und -konfiguration (tiefe, schmale Defekte besser als flache, breite)
Nachsorge und Heilungsverlauf
Die Wundheilung erfolgt über mehrere Wochen bis Monate. Der Erfolg wird klinisch (Taschenreduktion, Attachment-Gewinn) und radiologisch (Knochenneubildung) kontrolliert. Zur Nachsorge zählen:
- Schonung der Region (mindestens 2–3 Wochen)
- Antiseptische Spülungen (Chlorhexidin)
- Verzicht auf Zähneputzen im OP-Gebiet für ca. 1 Woche
- Regelmäßige Kontrollen (1 Woche, 1 Monat, 3 Monate etc.)
- Recall-Intervalle halbjährlich oder individuell angepasst
Erfolgsaussichten und wissenschaftliche Bewertung
Zahlreiche Studien belegen die Effektivität der GTR-Technik, insbesondere bei vertikalen Defekten und Furkationsbeteiligungen. Erreicht werden können:
- Knochenneubildung
- Reduktion der Taschentiefe
- Attachmentgewinn von bis zu 4 mm
- Längerer Zahnerhalt
Der Langzeiterfolg hängt jedoch maßgeblich von Patientencompliance, Rauchverhalten und professioneller Nachsorge ab.
Risiken und Komplikationen
Obwohl GTR gut etabliert ist, können folgende Komplikationen auftreten:
- Wunddehiszenz (Aufplatzen der Wundränder)
- Infektion im Membranbereich
- Membranexposition (v. a. bei nicht-resorbierbaren Materialien)
- Unzureichende Knochenregeneration
- Rezidiv bei schlechter Mundhygiene
Grenzen der Methode
Nicht in allen Fällen ist GTR sinnvoll. Einschränkungen bestehen bei:
- Flachen, breiten Defekten
- Ungünstiger Wurzelmorphologie
- Schlechter Patientenmitarbeit
- Starkem Nikotinkonsum
- Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber Membranmaterialien
GTR kurz zusammengefasst
Ziel:
- Regeneration parodontaler Gewebe (Knochen, Fasern, Zement)
Mittel:
- Membranen, Knochenersatzmaterialien, Schmelzmatrixproteine
Indikation:
- Vertikale Knochendefekte, Furkationsbeteiligung Grad II
Vorteil:
- Struktureller Wiederaufbau statt reinem Taschenabbau
Voraussetzung:
- Gute Mundhygiene, keine systemischen Risikofaktoren
Fazit
Die Gewebe-regenerierenden Techniken (GTR) sind ein zentraler Baustein der modernen Parodontalbehandlung. Sie bieten die Möglichkeit, verloren gegangene Strukturen gezielt wiederherzustellen – mit dem Ziel, nicht nur Entzündungen zu beseitigen, sondern funktionales Gewebe zurückzugewinnen. Für geeignete Fälle ist GTR ein wirkungsvoller, wissenschaftlich abgesicherter Weg zum Zahnerhalt – vorausgesetzt, Planung, Ausführung und Nachsorge sind auf hohem Niveau.
