Furkationsinvolvierung
Die Furkationsinvolvierung zählt zu den besonders anspruchsvollen Befunden in der Parodontologie und betrifft ausschließlich mehrwurzelige Zähne – in der Regel Prämolaren und Molaren. Sie bezeichnet den entzündungsbedingten Abbau des Zahnhalteapparats im Bereich der Wurzelgabelung (Furkation) eines Zahns. Die Behandlung stellt sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eine Herausforderung dar. Früh erkannt und gezielt therapiert, lässt sich jedoch die langfristige Prognose betroffener Zähne oft deutlich verbessern.
Was ist eine Furkation?
Als Furkation bezeichnet man die natürliche Gabelung eines Zahns in mehrere Wurzeln. Während Schneidezähne in der Regel einwurzelig sind, verfügen Prämolaren (Backenzähne im Seitenzahnbereich) und Molaren (große Backenzähne) meist über zwei oder sogar drei Wurzeln. Diese verzweigen sich in einem Bereich, der normalerweise vom Zahnfleisch bedeckt ist. Bei gesundem Parodontium ist die Furkation für Bakterien unerreichbar und somit vor Entzündungen geschützt.
Definition der Furkationsinvolvierung
Die Furkationsinvolvierung beschreibt den Prozess, bei dem sich infolge einer parodontalen Erkrankung der Halteapparat im Bereich der Wurzelgabelung abbaut. Dadurch entsteht ein Spalt oder Hohlraum zwischen den Wurzeln, der eine bakterielle Besiedlung ermöglicht. Es kommt zu einer Entzündung mit möglicher Knochenresorption. Die Involvierung kann sich dabei in unterschiedlichen Schweregraden zeigen – von einer beginnenden Beteiligung bis hin zur vollständigen Durchgängigkeit der Furkation.
Klassifikation nach Hamp
Die Einteilung erfolgt in der Regel nach der Hamp-Klassifikation, die die Involvierung in drei Grade unterteilt:
- Grad I: Geringe horizontale Beteiligung der Furkation, meist unter 3 mm. Die Wurzelgabelung ist nur leicht sondierbar.
- Grad II: Teilweise horizontale Beteiligung mit Sondierungstiefe über 3 mm. Die Furkation ist nicht vollständig durchgängig.
- Grad III: Komplette Durchgängigkeit – die Sonde lässt sich vollständig durch die Furkation führen. Klinisch ist oft eine durchgehende Verbindung zwischen den Wurzeln tastbar.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Hauptursache der Furkationsinvolvierung ist eine fortgeschrittene Parodontitis, also eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparats. Diese führt zu einer Destruktion von Zahnfleisch, Bindegewebe und Knochen. Risikofaktoren, die die Entstehung begünstigen, sind unter anderem:
- Unzureichende Mundhygiene
- Rauchen
- Diabetes mellitus
- Genetische Disposition
- Stress
- Systemische Erkrankungen
- Fehlbelastungen einzelner Zähne
- Füllungs- oder Kronenüberhänge
Symptome und klinische Anzeichen
Die Furkationsbeteiligung selbst verursacht häufig keine Schmerzen – viele Patientinnen und Patienten merken zunächst nichts. Auffällige Symptome können sein:
- Zahnfleischbluten
- Mundgeruch
- Zahnlockerung
- Zahnfleischrückgang
- Sondierbare oder sogar sichtbare Gabelungen
- Sensibilität auf Druck oder Temperatur
Da diese Anzeichen auch bei anderen parodontalen Erkrankungen auftreten, ist die klinische Untersuchung entscheidend.
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt mittels spezieller Furkationssonden, z. B. nach Nabers. Diese ermöglichen eine gezielte Sondierung der Wurzelgabelung. Zusätzlich helfen Röntgenaufnahmen, um den Knochenabbau zu beurteilen. Wichtig ist eine genaue Dokumentation des Befundes – unter anderem zur Verlaufskontrolle nach einer Behandlung.
Wichtige Diagnosehilfen:
- Klinische Sondierung (horizontal und vertikal)
- Panoramaschichtaufnahme (OPG)
- Zahnfilm mit paralleler Technik
- ggf. 3D-Diagnostik (DVT)
Therapieoptionen
Die Behandlung der Furkationsinvolvierung ist komplex und richtet sich nach dem Schweregrad, der allgemeinen Mundgesundheit und den individuellen Risikofaktoren. Ziel ist es, die Entzündung zu kontrollieren, die Reinigungsfähigkeit zu verbessern und – wenn möglich – den Zahnerhalt sicherzustellen.
Nicht-chirurgische Maßnahmen
- Professionelle Zahnreinigung
- Scaling und Root Planing im Furkationsbereich
- Optimierung der Mundhygiene (z. B. Interdentalbürsten, spezielle Zahnbürsten)
- Antibakterielle Spülungen oder Gele
Chirurgische Therapie
Bei Grad II und III sind oft chirurgische Maßnahmen notwendig:
- Lappenoperationen zur verbesserten Reinigung
- Resektive Therapie (z. B. Wurzelamputation oder Hemisektion)
- Regenerative Verfahren wie gesteuerte Geweberegeneration (GTR) mit Membranen oder Schmelzmatrixproteinen
- Tunnelierung der Furkation zur besseren Zugänglichkeit
Ein interdisziplinärer Ansatz – ggf. mit Unterstützung durch einen Parodontologen – kann den langfristigen Erfolg sichern.
Prognose
Die Prognose bei Furkationsinvolvierung ist abhängig vom Ausmaß der Schädigung und der Patientenmitarbeit. Während Grad-I-Furkationen bei guter Mundhygiene stabil bleiben können, sind Grad-III-Fälle mit deutlich höherem Risiko für Zahnverlust verbunden. Regelmäßige Kontrollen und konsequente Nachsorge sind entscheidend.
Relevanz für die Prophylaxe
Die frühzeitige Erkennung von Furkationsinvolvierungen gehört zu den wichtigsten Aufgaben in der zahnärztlichen Prophylaxe. Durch gezielte Vorsorgemaßnahmen wie regelmäßige Professionelle Zahnreinigung (PZR), individuelle Mundhygieneberatung und engmaschige Kontrollen lassen sich viele Komplikationen vermeiden. Besonders gefährdete Patient:innen (z. B. Diabetiker:innen oder Raucher:innen) sollten engmaschig betreut werden.
Maßnahmen bei Furkationsinvolvierung
- Früherkennung durch regelmäßige Kontrolle
- Sondierung mit speziellen Furkationssonden
- Röntgendiagnostik zur Beurteilung des Knochenabbaus
- Entzündungsmanagement durch PZR und ggf. Antibiotika
- Chirurgische Therapie bei fortgeschrittener Beteiligung
- Langfristige Erhaltung durch Recall-System und Patientenmotivation
Fazit
Die Furkationsinvolvierung ist ein ernstzunehmender parodontaler Befund, der besondere Aufmerksamkeit erfordert. Ihre erfolgreiche Behandlung setzt nicht nur zahnärztliches Fachwissen, sondern auch die aktive Mitarbeit der Patient:innen voraus. Mit individuell abgestimmten Therapiekonzepten und konsequenter Nachsorge kann der Erhalt betroffener Zähne gelingen – auch bei komplexen Fällen.
