Dentale Fluorose
Die dentale Fluorose ist eine entwicklungsbedingte Störung der Zahnschmelzbildung, die durch eine übermäßige Fluoridaufnahme während der Zahnentwicklung verursacht wird. Sie zeigt sich typischerweise durch weiße, gelbliche oder bräunliche Verfärbungen des Zahnschmelzes und in schweren Fällen durch Schmelzdefekte oder -abbrüche. Die Erkrankung tritt ausschließlich während der Schmelzbildungsphase im Kindesalter auf – insbesondere zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 6. Lebensjahr – und ist danach nicht mehr reversibel.
Was ist dentale Fluorose?
Bei der dentalen Fluorose kommt es infolge einer chronischen Überdosierung von Fluorid zu einer Störung der Ameloblasten – jener Zellen, die den Zahnschmelz bilden. Der entstehende Schmelz ist hypomineralisiert, was sich klinisch durch Trübungen, Flecken oder Porositäten äußert. Fluorose ist eine Form der Schmelzhypomineralisation, jedoch nicht durch einen akuten Prozess (wie bei MIH), sondern durch langfristige systemische Einwirkung.
Ursachen – Wie entsteht Fluorose?
Die Fluorose entsteht nur, wenn während der Zahnentwicklung zu viel Fluorid aufgenommen wird. Quellen der Überdosierung sind:
- Fluoridierte Zahnpasta in zu großer Menge (z. B. Verschlucken bei Kleinkindern)
- Fluoridtabletten in Kombination mit fluoridiertem Trinkwasser
- Fluoridiertes Speisesalz + Tabletten/Zahnpasta ohne Abstimmung
- Regionale Trinkwasserquellen mit hohem natürlichem Fluoridgehalt
- Industriebedingte Umweltbelastung (sehr selten)
Besonders gefährdet sind Kinder, bei denen mehrere Fluoridquellen gleichzeitig unkontrolliert eingesetzt werden.
Häufigkeit und Risikofaktoren
- Die Häufigkeit hängt stark von der Region und der Fluoridversorgung ab
- In Deutschland sind milde Formen mit weißlichen Flecken relativ häufig, ausgeprägte Fluorosen selten
- Kinder mit niedrigem Körpergewicht oder mit Eltern, die Fluorid falsch dosieren, sind besonders gefährdet
Symptome und Schweregrade
Die dentale Fluorose tritt symmetrisch an den bleibenden Zähnen auf (selten an Milchzähnen). Die Ästhetik ist in der Regel das Hauptproblem, nicht die Funktion.
Klassifikation nach Dean (klassisch):
- Normal – keine Veränderung
- Fraglich – vereinzelte weißliche Punkte
- Sehr mild – feine, weiße, opake Flecken auf weniger als 25 % der Zahnfläche
- Mild – weiße Flecken auf weniger als 50 % der Fläche
- Moderat – deutlich weiße Flächen, gelegentlich bräunliche Verfärbung
- Schwer – bräunliche, poröse Areale, Schmelzabsplitterungen, Rauigkeit
Die leichte Fluorose kann optisch kaum auffallen oder sogar als ästhetisch vorteilhaft empfunden werden (heller Schmelz). Die schwere Fluorose hingegen beeinträchtigt Ästhetik, Oberflächenstruktur und kann Karies begünstigen.
Diagnostik
- Klinische Inspektion der bleibenden Zähne (v. a. Schneide- und Eckzähne)
- Anamnese zur Fluoridzufuhr in der frühen Kindheit
- Abgrenzung von MIH, Initialkaries, Traumata, Amelogenesis imperfecta
- Trocknung der Zähne kann weiße Läsionen besser sichtbar machen
Abgrenzung zu ähnlichen Erkrankungen
| Erkrankung | Unterschied zur Fluorose |
| MIH | Unregelmäßige Flecken, oft gelb/braun, auch Hypersensibilität |
| Initialkaries | Unscharfe Ränder, v. a. im Plaquebereich, kariös bedingt |
| Amelogenesis imperfecta | Genetisch, alle Zähne betroffen, oft massive Defekte |
| White Spots | Lokalisierte Entkalkung, oft kieferorthopädisch bedingt |
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung richtet sich nach Ausprägung, Ästhetikwunsch und funktioneller Beeinträchtigung. Leichte Formen erfordern meist keine Intervention, während bei schweren Fällen ästhetisch-restaurative Maßnahmen notwendig sein können.
1. Ästhetische Maßnahmen bei leichten/milden Fluorosen
- Microabrasion: mechanisch-chemische Entfernung oberflächlicher Defekte
- Bleaching: Aufhellung zur Angleichung des Farbtons
- Infiltration (z. B. mit Icon®): Versiegelung poröser Areale, kosmetische Verbesserung
2. Restaurative Therapie bei moderater bis schwerer Fluorose
- Kompositfüllungen bei kleineren Defekten
- Veneers (Keramik oder Komposit) bei frontästhetisch störenden Bereichen
- Kronen bei massiver Hypomineralisation und Schmelzverlust
3. Prävention für nachfolgende Generationen
- Aufklärung über korrekte Fluoridverwendung
- Keine Fluoridtabletten bei Verwendung fluoridierter Zahnpasta oder Salz
- Richtige Dosierung fluoridierter Kinderzahnpasta (Erbsengröße, max. 500 ppm)
- Kein Verschlucken von Zahnpasta – Elternaufsicht bei Kleinkindern!
Bedeutung für die zahnärztliche Praxis
- Aufklärung der Eltern über Fluoridquellen und Dosierung
- Erkennung milder Fluorosen bei Routineuntersuchungen
- Dokumentation bei auffälligen Befunden
- Ästhetische Beratung bei Kindern und Jugendlichen im Schulalter
- Kooperation mit Kinderärzt:innen und Ernährungsberatung, wenn erforderlich
Auf einen Blick – Dentale Fluorose
| Faktor | Merkmal |
| Ursache | Chronisch erhöhte Fluoridzufuhr während Zahnschmelzbildung |
| Auftreten | Nur bei bleibenden Zähnen, meist symmetrisch |
| Symptome | Weiße bis braune Flecken, raue Oberfläche, im Extremfall Schmelzdefekte |
| Behandlung | Abhängig vom Schweregrad – von Bleaching bis Veneers |
| Prävention | Aufklärung, richtige Fluoriddosierung im Kindesalter |
Fazit
Die dentale Fluorose ist eine entwicklungsbedingte, nicht infektiöse Schmelzstörung, die durch eine zu hohe Fluoridzufuhr in der Kindheit entsteht. Während leichte Formen häufig harmlos sind und ästhetisch kaum auffallen, können ausgeprägte Fluorosen kosmetisch belastend und funktionell problematisch sein. Eine genaue Anamnese, individuelle Beratung und ein verantwortungsvoller Umgang mit Fluoriden sind der Schlüssel zur Prävention – und bei Bedarf zur ästhetischen Korrektur.
